Der Verein VADA wendet sich nun nach der Nicht-Umbenennung der Dr.-Franz-Palla-Gasse in Gert-Jonke-Gasse mit einem offenen Brief an den Kärntner Landeshauptmann, den Klagenfurter Bürgermeister, die Mitglieder des Klagenfurter Stadtsenats und der Gemeinderatsclubs.
Das Schreiben im Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Klagenfurter Stadtsenats und der Gemeinderatsclubs, mit diesem offenen Brief nehmen wir Stellung zu ihrer Entscheidung bezüglich der Dr.-Franz-Palla Gasse in Klagenfurt.
Was erzählt uns eine Straße? Kommentar von VADA zur Stadtsenatssitzung vom 04.05.2021
1.
Wir begrüßen es, dass dem bedeutenden Dichter Gert Jonke mit dem „Gert-Jonke-Steg“ ein Denkmal gesetzt wird. Dies ist eine wichtige Wertschätzung, die allerdings wohl weniger der Stadtpolitik als vielmehr der langjährigen unermüdlichen Vorarbeit von Frau Ingrid Ahrer zu verdanken ist.
Wir persönlich sind zwar der Ansicht, dass es eine größere Ehrerweisung darstellte, einen Verkehrsweg zu benennen, an dem auch Postanschriften vorhanden sind. Denn nur auf diese Weise kann der Name der gewürdigten Person nachhaltig in das öffentliche Bewusstsein dringen und auch in den Biographien und Korrespondenzen der Anwohner*innen weitergeistern.
Trotzdem freuen wir uns, dass in der Causa Gert-Jonke-Gasse bzw. Gert-Jonke-Steg eine – in Anbetracht der regen Frequenz des Steges – doch annehmbare Lösung gefunden wurde.
2.
Die Nicht-Umbenennung der Dr.-Franz-Palla-Gasse – sowie weiterer belasteter Straßennamen – ist hingegen schlichtweg ein Skandal. Es ist eine Peinlichkeit, dass diese klare Angelegenheit noch im 21. Jahrhundert zu zähen, zermürbenden Debatten und vorsichtigen bis ängstlichen Kompromissen führt. Dass es darüber überhaupt einer Diskussion bedarf, wirft kein gutes Licht auf Klagenfurt/Celovec.
Nun hat sich die Stadtpolitik für eine Zusatztafel entschieden.
Eine Zusatztafel kann unseres Erachtens nur eine regionale, eine interne Maßnahme sein. Im internationalen Zusammenhang ist eine solche als problematisch einzustufen, da es einen allgemeinen Konsens darüber geben muss, wie sie zu lesen ist.
Zur Veranschaulichung: In der Dr.-Herrmann-Gasse ist eine Zusatztafel angebracht, die erläutert, dass Emanuel Herrmann von 1839 bis 1902 gelebt hat und der Erfinder der Correspondenz-Postkarte war. Der/die Rezipient*in lernt aus diesem Kommentar, dass die Gasse nach Emanuel Herrmann benannt ist, weil dieser die Correspondenz-Postkarte erfunden hat.
Stellt man sich nun eine Touristin mit einem Bezug zur Opfergruppe vor, die auf der Zusatztafel in der Dr.-Franz-Palla-Gasse die Biographie des Namensgebers liest, so wird sofort klar: Die gutgemeinte Absicht kann leicht ins Gegenteil umschlagen und nicht nur Gäste der Landeshauptstadt verstören, sondern auch die Anwohner*innen in unangenehme Situationen bringen.
Eine wirklich unmissverständliche, politisch korrekte Zusatztafel, die historische Klarheit schafft, müsste mehrere Absätze auf Deutsch, Slowenisch und Englisch umfassen und könnte leider in selten gelesenem Kleingedruckten enden. Das Zusatztafel-Argument der „Stärkung des Geschichtsbewusstseins“ ist daher in Frage zu stellen. Hinzu kommt, dass in den doch von vielen Menschen genutzten digitalen Karten im Internet, in GPS-Systemen, aber auch auf gedruckten Stadtplänen die problematischen Straßennamen weiterhin – ohne jegliche Erklärung – sichtbar sind und den Eindruck erwecken, dass in Klagenfurt und Kärnten immer noch Personen, die sich alles andere als ehrenwert verhalten haben, weiterhin geehrt werden. Wollen wir international als eine solche Stadt, ein solches Bundesland, wahrgenommen werden?
Eine Straßenumbenennung wird einen belasteten Namen nicht aus den Geschichtsbüchern, sondern aus der Alltagskultur tilgen. Darüberhinaus wird damit Platz für eine neue Gedenkkultur geschaffen. Heute sollten vorrangig Frauen gewürdigt werden – anbetrachts der lokalen Geschichte vorzugsweise Widerstandskämpferinnen oder Opfer des Nationalsozialismus.
Die Maria-Olip-Gasse könnte allerdings durchaus mit einer Zusatztafel versehen werden, die uns nicht vergessen lässt, dass diese Gasse von 1947 bis 2021 den Namen von Dr. Franz Palla trug."
Yulia Izmaylova und Felix Strasser
Vorsitzende von VADA
Verein zur Anregung des dramatischen Appetits
Društvo za vzbujanje dramskega apetita