Kritik von SPÖ-Landesparteivorsitzendem LH Peter Kaiser an „kurzsichtiger“ Ablehnung einer EU-Richtlinie für faire Mindestlöhne durch ÖVP-geführte Bundesregierung.
Enttäuscht zeigt sich SPÖ-Landesparteivorsitzender und Landeshauptmann von Kärnten von der Ablehnung einer gemeinsamen EU-weiten Richtlinie für angemessene Mindestlöhne, die aktuell im Rahmen des EU-Sozialgipfels in Porto diskutiert wird, durch die Österreichische Bundesregierung.
„Da zeigt sich wieder einmal das wahre Gesicht neoliberaler Kräfte wie der ÖVP: Anstatt sich konstruktiv daran zu beteiligen, das Leben abertausender Menschen, die in vielen EU-Ländern trotz nationalstaatlich gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegter Mindestlöhne arm sind, besser zu machen und ihnen ein Einkommen zum Überleben zu sichern, sucht man nach Ausreden, um der Wirtschafts- und Konzernlobby noch größere Gewinne durch Lohndumping zu ermöglichen“, so Kaiser.
Er kritisiert vor allem auch den Umstand, dass die Ablehnung damit begründet wird, eine verbindliche Richtlinie würde in nationalstaatliche Interessen eingreifen und ua sozialparnterschaftlich verhandelte Kollektivverträge aushebeln. In der Stellungnahme, die er, Kaiser, als Berichterstatter im Ausschuss der Regionen zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission verfasst habe, und die mit breiter Mehrheit, auch mit konstruktiven Stimmen der EVP und anderer Parteien, beschlossen wurde, sei explizit festgehalten, dass Länder wie Österreich, welche ein hervorragendes Kollektivvertragssystem haben, dieses natürlich auch weiterhin so fortführen werden. Mit der Richtlinie solle vor allem ein Prozess eingeleitet werden, der sowohl die nationalen und manchmal regionalen Besonderheiten und die Autonomie der Sozialpartner respektiere und die Sozialpartnerschaft insgesamt stärke.
„Dass Vertreter der Österreichischen Bundesregierung und anderer Regierungen eine gemeinsame Richtlinie für angemessene Mindestlöhne ohne jede Diskussionsbereitschaft ablehnen, im Gegenzug aber beispielsweise Onlinekonzernen Schlupflöcher ermöglichen, durch die sie Milliarden an Beitragsleistungen zu einem gerechten Steueraufkommen entziehen, ist einfach nur unmoralisch, verwerflich und spottet jeder Beschreibung einer Politik, die sich dafür einsetzen sollte, dass Arbeit überall in der EU auch angemessen und fair entlohnt werden sollte“, so Kaiser.
Kaiser appelliert insbesondere an Arbeitsminister Kocher sich daran zu beteiligen, die Erwerbsarmut und die Abwärtsspirale des ungesunden Lohnkostenwettbewerbs gemeinsam zu bekämpfen. Zudem sollten auch allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nicht unter Kollektivverträge fallen, Mindestlöhne ein ausreichendes Einkommen bieten. Die Coronavirus-Pandemie habe vor Augen geführt, dass gerade Geringverdienende unsere Gesellschaft in der Krise am tatkräftigsten unterstützen. Durch eine EU-weite Richtlinie bei den Mindestlöhnen könnte man viele Menschen aus einer „working poor“-Situation herausführen. „Bei einer Vollbeschäftigung muss man mit seinem Einkommen auch ein Auskommen finden können“, so Kaiser. Und noch ein Argument führt Kaiser vor Augen: „Wenn man die durch den Wunsch nach einem besseren Leben stattfindende Binnenwanderung in der EU tatsächlich eindämmen und damit auch verhindern will, dass manche Regionen komplett aussterben, dann muss man einer Richtlinie für angemessene Mindestlöhne zustimmen.“
Der im Richtlinienentwurf enthaltene Vorschlag für einen Mindestlohn von mindestens 60 Prozent des Bruttomedianlohns und 50 Prozent des Bruttodurchschnittslohns - unter Berücksichtigung bestehender nationalen Systeme der Lohnfindung und der Autonomie der Sozialpartner - der als Richtschnur dient, würde für rund 25 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa einen Lohnanstieg bedeuten. Die Mindestlöhne würden aktuell von 312 Euro monatlich in Bulgarien bis zu 2.142 Euro in Luxemburg reichen. Bezogen auf die Arbeitsstunden seien die Unterschiede mit 1,87 Euro in Bulgarien und 12,38 Euro in Luxemburg sogar noch größer. „Selbst, wenn man das unterschiedliche Preisniveau und die Kaufkraft berücksichtigt, bleiben eklatante Unterschiede, die Armut und Abwanderungstendenzen verstärken“, verdeutlicht Kaiser.
Foto: SPÖ Kärnten