Szenen aus dem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil.
Haben Sie schon einmal bedacht, daß auch die Liebe eine Störung des Geistes ist? Ein würdeloses Spiel von Teufeln mit einer Seele. Der Mann ohne Eigenschaften gehört, neben Ulysses oder Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, zu jenen literarischen Werken von Weltruhm, denen das Etikett „unlesbar“ anhaftet. Und das liegt nicht nur an ihrem Umfang.
Ob der Zufall, dass Robert Musil seine ersten Lebensstunden in Klagenfurt zubrachte, dafür verantwortlich ist, sei dahin gestellt – jedenfalls „verfügt“ Klagenfurt mit dem Germanisten Walter Fanta über einen akribischen Experten, (auch) was den literarischen Musil-Kosmos betrifft. Die darstellerische Wucht von Oliver Vollmann und Nadine Zeintl muss hier nicht explizit betont werden.
Wie auch immer – es ist eine glückliche Fügung, dass sich das Triumvirat Fanta/Vollmann/Zeintl zusammengefunden hat, um Clarisse, einer der weiblichen Hauptfiguren aus dem Mann ohne Eigenschaften, und ihren männlichen Dämonen dramatisches Leben einzuhauchen. Dass dabei unveröffentlichtes Material aus Musils Jahrhundertroman aufgegriffen wird (ja, der Mann ohne Eigenschaften hätte noch länger werden können!), verdanken wir ebenfalls Walter Fanta, der aus dem Nachlass Robert Musils schöpfen kann.Die endgültige Textfassung von „Clarisse und ihre Dämonen“ stammt von Oliver Vollmann, mehr zur Genese findet sich im anschließenden Text des Autors und Schauspielers.
Es ist unheimlich, sich den Irren gleichzustellen, aber es ist die Entscheidung zum Genialen! 'Clarisse und ihre Dämonen' Ein Selbst(reflexions)gespräch von Oliver Vollmann
Vor rund zwei Jahren trat Walter Fanta an Nadine Zeintl und mich mit der Idee heran, für uns beide eine Textfassung für die Bühne von 'Clarisse und ihre Dämonen' aus Robert Musils Roman 'Der Mann ohne Eigenschaften' zu verfassen und von uns beiden spielen zu lassen.Wir sagten zu, obwohl ich den 'Mann ohne Eigenschaften' in jungen Jahren (nach mehrmaligen Versuchen) nie geschafft hatte fertig zu lesen. Bis heute ist es mir nicht gelungen...Walters Textfassung lag im Sommer 2018 vor.
Er gab uns von Anfang an freie Hand den Text zu bearbeiten und für die Bühne zu adaptieren.Nach anfänglicher Verzweiflung ob der Komplexität der verschiedenen Themen im Stück, beschloss ich, Walters Textfassung so zu lesen, als hätte ich noch nie von Robert Musil und seinem Roman gehört.Welches 'Grundthema' würde sich herauskristallisieren? Und schwupp - da war es: Liebe und Wahnsinn, zeitlos.
Nun galt es, die Dialoge so zu bauen, dass sich ein nachvollziehbarer dramaturgischer Bogen ergäbe, ohne dass der Originaltext verändert wird. Nach unzähligen, unbefriedigenden Versuchen griff ich zu einem radikalen Mittel: ich entfernte die Zuordnung des Textes zu bestimmten Personen. Die gesprochenen Worte, Sätze schwirrten nun 'frei im Raum', ohne an Clarisse oder einen ihrer 'Dämonen' gebunden zu sein und genau daraus ergab sich tatsächlich die vorliegende, 'spielbare' Bühnenfassung.Auch die anfängliche Schwierigkeit, nur eine Clarisse, aber sechs Männer/Dämonen von uns beiden darzustellen, war damit gelöst: die sechs Männer ließen sich plötzlich in einem zusammenfassen – ohne, dass auch nur ein Wort von Musil geändert werden musste.
Meine große Sorge, dass Walter über die Bearbeitung entsetzt sein könnte, war unbegründet: er war damit vollkommen einverstanden, mehr noch – er erzählte uns, das Musil selbst ähnlich gearbeitet habe, nämlich Sätze ohne Zuordnung aufzuschreiben, zu 'sammeln', um sie immer wieder anderen Personen in den Mund zu legen !Es ergab sich daraus, dass nicht nur Clarisse von den 'Dämonen', sondern auch die Dämonen von Clarisse 'besetzt' sind !Aus der zeitlichen und räumlichen Vorgabe in Walters Text zeichnete sich sehr früh das Bühnenbild und die Musik ab. Es sei hier nicht zu viel verraten, nur soviel: Bis auf eine einzige Ausnahme gegen Ende des Stückes werden wir live singen und Klavier spielen. Auch Richard Wagner wird 'zitiert'.
Jetzt, mitten im Arbeits- und Probenprozess, ist die Reise aufregend, spannend. Wo werden wir abzweigen, umkehren, länger bleiben ?Bei der täglichen, intensiven Probenarbeit mit Nadine und unserer Regieassistentin Kerstin Haslauer ergeben sich regelmäßig neue Aspekte und Perspektiven. Wir improvisieren in die einzelnen Szenen hinein, schauen, was passiert - was ist 'stimmig', wo 'hakt' es, wo führt uns der Moment hin? Manchmal 'vergaloppieren' wir uns und landen in einer Sackgasse, manchmal tun sich neue Welten auf, manchmal verlässt uns der Mut, manchmal bekommen wir Flügel, manchmal sind wir am Verzweifeln, manchmal brechen wir vor Lachen nieder.
Dann diskutieren wir. Kerstin gibt uns wertvolle Tipps. Wir versuchen, uns auf eine bestimmte Richtung zu einigen. Sobald wir einer Meinung sind, schalten wir die Videokamera ein und analysieren danach die Aufzeichnung. Diese Arbeitsweise hat sich schon bei 'winkler worst case' vor knapp vier Jahren bestens bewährt.Dazwischen besprechen wir immer wieder mit Bernd Zadow, unserem Lichtzauberer und Konrad Überbacher, dem Tonkünstler, unsere Ideen - was ist machbar, was geht nicht? Licht und Ton werden ja genauso wichtig sein wie der Text und unser Spiel.Es ist ein Vorwärtshanteln in kleinen Schritten.
Ich schreibe diese Zeilen knapp drei Wochen vor der Premiere und wir haben ein relativ klares Bild von dem was wir wollen.Aber vielleicht machen wir schon morgen alles wieder ganz anders....
Termine: Theaterhalle 11, 8., 9., 11. und 12. Jänner 2019, jeweils 20.00 Uhr
Eine Produktion des klagenfurter ensemble
Foto: Jagoutz/ke