Am 4. Februar ist Weltkrebstag. In Kärnten wird in den nächsten Jahren die Anzahl der betagten Krebspatienten stark zunehmen. Doch auch im höheren Alter kann eine Krebsbehandlung aussichtsreich sein. Diese individuell abgestimmte Behandlung des älteren Krebspatienten steht im Mittelpunkt der sogenannten geriatrischen Onkologie, die der Präsident der Kärntner Krebshilfe Primar Dr. Hans Jörg Neumann und Oberarzt Dr. Walter Müller, MSc am Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt anbieten. Der neue Ansatz verspricht eine höhere Lebensqualität und eine bessere Prognose einer Krebsbehandlung.
Vorreiter bei Altersmedizin
Das Elisabethinen-Spital Klagenfurt ist Modellkrankenhaus für eine österreichweite Einführung eines „altersfreundlichen Krankenhaus“. Ein wesentliches Augenmerk wird auf die Behandlung von Krebserkrankungen nach dem 65. Lebensjahr gelegt.
Alterskrankheit Krebs
Wenn keine anderen Erkrankungen vorliegen, kann ein älterer Tumorpatient behandelt werden wie ein junger Patient. Beim einem älteren Menschen, der bereits gesundheitlich eingeschränkt ist, müssen die Krebstherapie und unterstützende Maßnahmen auf seine persönlichen Bedürfnisse eingestellt werden. Die meisten Tumorerkrankungen zeigen eine deutliche Zunahme ihres Auftretens mit dem Alter. „Der Körper bietet im Alter eine größere Angriffsfläche für Krebserkrankungen als bei jüngeren Menschen. Auch die beiden zum Abbau der Chemotherapie wichtigsten Organe Niere und Leber sind im fortgeschrittenen Alter geschwächt“, beschreiben Prim. Dr. Hans Jörg Neumann, MSc Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und OA Dr. Walter Müller, MSc, Vorstand des Departments für Akutgeriatrie und Remobilisation am Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt.
Begleiterkrankungen im Blick haben
Bei einem älteren Tumorpatienten muss auf die Begleiterkrankungen geachtet werden. Diese stellen vor allem Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates einschließlich Verletzungen, frühere Tumorerkrankungen, Zuckerkrankheit und Lungenerkrankungen- speziell die so genannte COPD dar.
Primar Dr. Neumann, MSc, auch Präsident der Kärntner Krebshilfe erklärt dazu: „Wichtig ist eine „Rangordnung“ der Erkrankungen zu erstellen, um zu erkennen, welche prognoseführend ist. So kann die Lebenserwartung eines Patienten mit Herzinsuffizienz deutlich kürzer als die eines Tumorpatienten sein. Bei Auftreten von mehreren Begleiterkrankungen kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Prognose“.
Geriatrische Begutachtung vor einer Krebstherapie
Dass das Geburtsdatum, wie es im Personalausweis steht, für Therapieentscheidungen nicht maßgeblich sein kann, wird immer klarer. Die Lösung, die in der Krebstherapie am Elisabethinen-Krankennhaus Klagenfurt dafür zum Einsatz kommt ist das „Geriatrische Assessment“ – eine Art ganzheitlicher Fitnesstest für Betagte.
Sie umfasst nicht nur medizinische Aspekte. Im Rahmen des Assessments wird auch die Selbständigkeit beziehungsweise die Hilfsbedürftigkeit des Patienten z.B. beim Essen, Ankleiden, Toilettenbenutzung, aber auch Stuhl- und Harnkontrolle eruiert. Auch die Bereiche Haushalt, Kochen, Einkaufen, Telefonieren etc. werden untersucht.
Ergänzt werden diese Erhebungen durch die Erfassung des kognitiven Zustandes mittels Mini Mental Test sowie des Ernährungszustandes des Patienten. „Ein solches Assessment ist ein wesentlicher Teil einer sorgfältigen Diagnostik bei älteren Patienten“, betont Oberarzt Dr. Walter Müller, MSc, erfahrener Geriater und Experte für Altersmedizin am Ordenskrankenhaus der Elisabethinen Klagenfurt.
Depressionen im Alter
Was keinesfalls unberücksichtigt bleiben sollte, ist das Thema Depression, warnt Onkologe Prim. Dr. Hans Jörg Neumann. „Depressionen sind gerade im Alter sehr verbreitet, werden aber auf Grund der nicht immer typischen Symptomatik häufig nicht erkannt- sowie die soziale Eingebundenheit und das Vorhandensein sozialer Ressourcen.
Krebstherapie auch im Alter sinnvoll
Wie beim jüngeren Patienten besteht auch im Alter die Tumortherapie aus 3 Säulen: Chirurgie, Strahlentherapie und die internistische Onkologie. Der Einsatz manch schonender chirurgischer Verfahren erlaubt auch eine Senkung von Komplikationen und Begleiterkrankungen während und nach der Operation. Die zusätzlich verbesserten Narkosemöglichkeiten und intensivmedizinische Nachbeobachtung verbessern die Ergebnisse zusätzlich. Die internistische Onkologie besteht aus mehreren Bereichen: der Chemotherapie, der Hormontherapie und neuen zielgerichteten Therapien.
Hier werden bekannte spezifische Veränderungen von Tumoren als Angriffspunkt für Medikamente verwendet. Oft kann diese Therapie in Tablettenform eingenommen werden.
Erhalt der Lebensqualität im Vordergrund
Im Gegensatz zum jüngeren Patienten, bei welchem die Heilung der Erkrankung und die Rückkehr in die Normalität im Vordergrund steht, geht es beim älteren Menschen vor allem um den Erhalt der Selbständigkeit und der Lebensqualität. „Im Vorfeld müssen die therapeutische Belastbarkeit und der weitere Lebensverlauf abgeklärt werden.“
Neue Immuntherapie anstatt Standardbehandlung
Für besonders geschwächte alte Menschen ist der Kampf gegen den Krebs mit Operation, Bestrahlung und nebenwirkungsreichen Medikamenten medizinisch nicht empfehlenswert. „Was nicht heißt, dass „nichts“ geschehen sollte. Versuche, Einschränkungen aller Art zu verhindern und Schmerzen zu lindern, gehören ohnehin zur Krebsmedizin“, weiß der Internist und Präsident der Kärntner Krebshilfe, Prim. Dr. Hans Jörg Neumann, MSc.
Als neueste Errungenschaft gilt die sogenannte Immuntherapie, bei der die körpereigene Abwehr durch Medikamente wieder in die Lage versetzt wird, Krebszellen zu erkennen und zu vernichten. Da die neuen Therapieformen teilweise deutlich besser verträglich sind, gewinnen sie auch für ältere Krebspatienten immer mehr an Bedeutung.
Kritik: Ältere Krebspatienten in Studien zu wenig beachtet
Einhergehend damit muss auch die Einnahme verschiedener anderer Medikamente beachtet werden, welche z.B. mit einer Chemotherapie interagieren können.
70-jährige Patienten nehmen heute im Schnitt schon vor der Krebsbehandlung fünf Medikamente, besonders häufig gegen hohen Blutdruck oder hohe Blutfettwerte, gegen Rheuma und gegen Schmerzen.
In klinischen Studien sind ältere Menschen im Hinblick auf die Untersuchung der Effektivität einer Krebstherapie oft unterrepräsentiert. „Ursache dafür sind vor allem Alterslimits und Begleiterkrankungen die den Zugang zu Studien erschweren“, kritisiert der Internist und Krebsexperte Prim. Dr. Hans Jörg Neumann, MSc.
Unheilbare Krebserkrankung
Bei einer unheilbaren Krebserkrankung steht die Lebensqualität des Patienten absolut im Vordergrund. „Gerade für den alten Menschen steht sehr oft nicht die Angst vor dem Tod im Vordergrund, sondern die Angst vor Schmerzen, Atemnot oder auch die Angst anderen zur Last zu fallen. Die derzeit modernste Palliativstation Kärntens befindet sich am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit/Glan, welches mit dem Elisabethinen-Krankenhaus eng kooperiert. Patienten des Elisabethinen-Krankenhauses werden über den palliativmedizinischen und pflegerischen Konsiliardienst betreut.
Experteninterview mit OA Dr. Walter Müller, Msc, Vorstand des Departments für Akutgeriatrie und Remobilisation
Warum rückt man den älteren Krebspatienten gerade jetzt ins Blickfeld?
OA Dr. Walter Müller, Msc: Hochbetagte Krebspatienten sind bisher bei den wissenschaftlichen Studien betreffend Krebstherapien nicht ausreichend miterfasst. Hohes Alter allen war bisher oft ein Grund Krebsoperationen, oder Chemotherapie nicht durchzuführen. Vor allem im Bundesland Kärnten wird in den nächsten Jahren die Anzahl der betagten Krebspatienten stark zunehmen.
Welche Rolle spielt das biologische Alter?
Inzwischen orientieren sich die Mediziner nicht mehr an den Lebensjahren, sondern am biologischen Alter, welches durch zusätzliche Erfassung der funktionellen, kognitiven, psychischen und sozialen Parameter viel genauer erfasst werden kann. Denn auch unter den 80-Jährigen gibt es fitte Menschen, die durchaus belastende Therapie vertragen. Doch auch dann, wenn eingreifende Maßnahmen nicht mehr sinnvoll sind, gibt es noch viele Möglichkeiten den Betroffenen zu helfen. Im Vordergrund steht dann nicht die Heilung, sondern die Optimierung der Lebensqualität. Viele Patienten, die auch andere schwere gesundheitliche Probleme haben, sterben nicht an, sondern mit einer Krebserkrankung.
Welche Krebsarten treten im Alter gehäuft auf?
Zu den häufigsten Krebserkrankungen im Alter zählen die Tumore der Gallenblase und Gallenwege, Prostata-, Bauchspeicheldrüsen-, Brust-, Magen-, und Darmkrebs.
Welche Rolle spielt die Mangelernährung bei onkologischen Patienten mit höherem
Alter?
Etwa jeder zweite Krebspatient ist betroffen: Sie verlieren, ohne dass sie es möchten, an Fett- und vor allem Muskelmasse. Es gilt deshalb Mangelernährung rechtzeitig zu bemerken und dagegen zu wirken. Mithilfe von ernährungstherapeutischer Betreuung kann der Mangelernährung vorgebeugt werden oder die Ausmaße dieser zumindest eingedämmt werden.
Foto: Elisabethinen-Krankenhaus