Presseaussendung von von: BirdLife Österreich
BirdLife Österreich: Ohne effiziente Agrar- und Naturschutzförderprogramme werden weitere Vogelarten verschwinden
Wien/Österreich 5. August 2015 - Der aktuelle Aussterbeprozess heimischer Feldvögel könnte kaum dramatischer verlaufen: Die letzten Brutvorkommen der drei Feldvogelarten Blauracke, Raubwürger und Ortolan sind in der Brutsaison 2015 auf Einzelexemplare geschrumpft. Ihr völliges Aussterben steht unmittelbar bevor. Die Vogelschutzorganisation BirdLife fordert deshalb die für den Naturschutz zuständigen Bundesländer in Zusammenarbeit mit Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf, endlich effiziente Agrar-Förderprogramme umzusetzen. Geldmittel dafür wären im neuen Österreichischen Programm für Ländliche Entwicklung vorhanden.
„Dieser Negativtrend muss sofort gestoppt werden, wenn wir nicht auch noch Vogelarten wie Rebhuhn, Kiebitz oder Feldlerche, die bisher unsere Kulturlandschaften wie selbstverständliche geprägt haben, verlieren wollen“, warnt Hans Uhl, Agrar-Vogelexperte bei BirdLife Österreich. Selbst diese Allerweltsarten zählen schon lange zu den zurückgehenden Vorkommen und werden ohne die Umsetzung sofortiger Schutzmaßnahmen ebenfalls aus vielen Regionen Österreichs verschwinden. Laut Farmland Bird Index (methodische Zählung von BirdLife Österreich seit 1998 im Auftrag des „Ministeriums für ein lebenswertes Österreich“) gehen die 22 häufigsten Feldvögel in Summe seither um alarmierende 42% zurück.
Blauracke: Letzten drei Brutpaaren in der Steiermark
Nur drei Paare der farbenfrohen, fast exotisch anmutenden Blauracke haben diese Saison noch in der Südoststeiermark gebrütet. Der Bruterfolg dieser letzten ihrer Art sichert das Vorkommen in Österreich aber nicht. 300-400 Paare wurden 1950 alleine in der Steiermark noch gezählt. Bis in die 1970 Jahre war die Blauracke in der ganzen Steiermark sowie in weiten Teilen Niederösterreichs und dem Burgenland noch stark verbreitet.
Raubwürger: Fünf letzte Paare im nördlichen Niederösterreich
„Derzeit ziehen fünf letzte Raubwürger-Paare ihre Jungen groß - zwei davon im Wald- und drei im Weinviertel“, bestätigt Hans Uhl das letzte Vorkommen dieser Vogelart in Österreich. Noch zur Jahrtausendwende brüteten in Niederösterreich jährlich 30-50 Paare, mit bis zu 40 Paaren alleine im Waldviertel. 100 Jahre davor wurde diese Art ausgenommen in Wien in praktisch allen Bundesländer noch gesichtet.
Ortolan: einsames Männchen in Tirol
Das letzte Vorkommen des Ortolans liegt in einem Schutzgebiet des Tiroler Inntales. In diesem Jahr ist nur ein singendes Männchen erschienen. 2005 wurden dort noch 26 Reviere gezählt. Bis in die 1960er Jahre besiedelte diese Art noch das Weinviertel mit über 200 Paaren, das Leithagebirge oder auch das Lienzer Becken.
Industrialisierte Landwirtschaft setzt Vogelarten zu
Alarmierend für die Vogelexperten sind die Gemeinsamkeiten die Ortolan, Blauracke und Raubwürger aufweisen: Sie leben in halboffenen Kulturlandschaften und sind Opfer der zunehmend industrialisierten Landwirtschaft. Der intensive Einsatz von Bioziden verursacht den Rückgang der notwendigen Insektennahrung. Kleinstrukturierte Feldbewirtschaftung lohnt nicht mehr und findet sich immer seltener. Mit zunehmend großen Maisäckern verschwinden ökologisch wertvolle Landschaftselemente wie Hecken, Raine, Altgrasstreifen oder Böschungen und mit ihnen letzte Rückzugsräume der Feldvögel. „Diese drei vom Aussterben bedrohten Vogelarten können unter diesen Bedingungen keinen ausreichenden Bruterfolg erzielen. Obwohl weitere Faktoren, etwa Klimaveränderung oder Verschlechterung von Überwinterungsgebieten außerhalb Österreichs wirken, ist in diesen Fällen nachgewiesen, dass die flächendeckende Intensivierung der Landwirtschaft der Hauptfaktor der Aussterbeprozesse ist“, bringt Hans Uhl die prekäre Situation der Feldvögel auf den Punkt.
Ohne großflächige Maßnahmen bleiben Naturschutzgebiete wirkungslos
Ebenfalls für alle drei genannten Vogelarten gilt, dass die speziell für sie ausgewiesenen Naturschutzgebiete nachweislich wirkungslos sind, wenn nicht innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen die laufenden Agrar-Förderpragramme viel umfassender und effizienter als bisher umgesetzt werden. Kleinflächige Maßnahmen können seltene Pflanzen vor dem Aussterben bewahren, nicht jedoch Vogelpopulationen, da sie viel größere Raumansprüche aufweisen. Nur in Partnerschaft mit den beteiligten Landwirten und unter Anwendung neuer und auch ökonomisch attraktiver Förderprogramme ist es möglich, den festgestellten Artenschwund unter den bedrohten Feldvögeln zu stoppen bzw. ihre seltenen Lebensräume auf größeren Flächen zu erhalten.
Die Bundesländer und das Umweltministerium sind gefordert
Da die notwendigen Naturschutzmaßnahmen in die Kompetenz der Bundesländer fallen, das Umweltministerium jedoch verantwortlich ist für die Förderrichtlinien zum ÖPUL-Programm, durch das die Länder die meisten Artenschutzprojekte umsetzen, sind angesichts dieser prekären Situation beide Seiten aufgefordert, rasch zu handeln. BirdLife liegen Informationen vor, wonach die meisten Bundesländer im neuen ÖPUL-Programm heuer weniger Naturschutzmaßnahmen mit den Landwirten umsetzen als bis 2014. Und schon das war angesichts der Aussterbeprozesse deutlich zu wenig. Auf Drängen der Naturschutzorganisationen wurden 40 Millionen Euro jährlich in diesem EU-Fördertopf für ökologische Flächenpflege reserviert. Derzeit sieht es danach aus, das die Bundesländer nicht fähig oder willens sind, diese Mittel auszuschöpfen.
Bessere Förderangebote für Pflege von ökologisch wertvollen Lebensräumen
BirdLife fordert die Politiker der Bundesländer daher auf, die Dramatik des heimischen Feld- und Wiesenvogelsterbens endlich zu erkennen und den Landwirten für die Pflege ökologisch wertvoller Lebensräum unverzüglich bessere Förderangebote vorzulegen. „Dazu gehören auch eine intensive und flächendeckende Beratung der einzelnen Betriebe. Mit jedem Monat des Zögerns, steigt die Wahrscheinlichkeit das weitere Vogelarten in einzelnen Bundesländern oder in ganz Österreich aussterben“ warnt Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer vor dem weiteren Aussterben unserer Feldvogelarten.
Foto: Die Grünen St. Veit/Glan/facebook