Die Rinderhaltung im Klimacheck zeigt: Heimische Rinder haben den geringsten CO2-Fußabdruck in Europa. Rindfleisch aus Südamerika hat einen bis zu sechsmal größeren „Klima-Rucksack“. LK Kärnten fordert ein Nein zum Mercosur-Freihandelsabkommen.
Den Start der Grillsaison nimmt die LK Kärnten zum Anlass, die Rinderhaltung in unserem Bundesland einem Klimacheck zu unterziehen. Denn immer wieder gerät insbesondere die Rindfleischproduktion in der Debatte rund um den Klimaschutz in den Verruf, ein „Klimakiller“ zu sein. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Hörtenhuber, Nutztierexperte der Universität für Bodenkultur, klärt dazu im Rahmen einer Pressekonferenz auf: „Die kreislauforientierte Rinderhaltung ist die große Stärke der bäuerlichen Familienbetriebe in Kärnten. Die Betriebe setzen stark auf heimische Futtermittel. Das ist die Grundlage für die gute CO2-Bilanz von heimischem Rindfleisch.“ Konkret nennt Hörtenhuber die CO2-Bilanz von Kärntner Rindfleisch im Vergleich zu jenem aus Brasilien: „Die Treibhausgasemissionen liegen hierzulande pro kg Rindfleisch bei rund 14 kg CO2. Damit haben die heimischen Rinderbauern die beste Klimabilanz in ganz Europa. In Brasilien liegt dieser Wert – nicht zuletzt auf Grund der Rodung von Urwaldflächen – bei mehr als 80 kg CO2 pro kg Fleisch.“
Mythos Methan
Im Rahmen der Pressekonferenz nimmt Hörtenhuber auch zu einem weiteren Kritikpunkt an der Rinderhaltung im Hinblick auf den Klimawandel Stellung – zur Methan-Emission. „Methan ist zwar um ein Vielfaches klimawirksamer als CO2, es wird aber in der Atmosphäre innerhalb von durchschnittlich zwölf Jahren wieder abgebaut. Im Gegensatz dazu kumuliert ein Teil des CO2 aus der Verbrennung von Öl und Gas in der Atmosphäre. Vor diesem Hintergrund wurde die Klimawirksamkeit von Methan in den bisherigen Berechnungen überschätzt. Wendet man die auch vom Weltklimarat neu ins Spiel gebrachte Berechnungsmethodik GWP-Stern an, zeigt sich, dass die Klimawirksamkeit je kg Milch um 50 % und jene von Rindfleisch um 40 % unter den bisherigen Werten liegt“, erläutert der BOKU-Experte, der erstmals den Effekt der neuen Berechnungsmethodik auf die österreichische Tierhaltung berechnet hat.
Vegane Ernährung rettet das Klima nicht
Im Hinblick auf den Ernährungsstil wartet Dipl.-Ing. Dr. Hörtenhuber mit interessanten Erkenntnissen auf: Im Schnitt emittiert ein Österreicher rund 11 t. CO2. Nur etwas mehr als 2 t. davon entfallen bei einem durchschnittlichen Fleischkonsum auf den Bereich Ernährung. Bei einem Umstieg auf eine vegane Ernährung reduzieren sich die CO2-Emissionen nur um rund 800 kg. Damit wird klar, dass man mit einem kompletten Verzicht auf tierische Lebensmittel (Fleisch, Milch, Eier) nur rund 7 % des gesamten CO2-Fußabdruckes reduzieren kann. „Was man mit der Umstellung der Ernährung maximal erreichen kann, liegt in der Größenordnung einer Flugreise von Klagenfurt nach Madrid und retour. Das heißt, eine Ernährungsumstellung kann einen Beitrag leisten, aber sie rettet die Klimabilanz nicht. Es braucht in jedem Bereich eine starke Reduktion“, schlüsselt Hörtenhuber auf, der daran erinnert, dass für den massiven Anstieg der Treibhausgasemissionen und das rasche Voranschreiten des Klimawandels primär die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle verantwortlich ist.
Nein zu Mercosur – Nein zum Klimakiller am Griller
Angesichts der wissenschaftlichen Fakten wird für Siegfried Huber, Präsident der Landwirtschaftskammer Kärnten, klar, dass eine Fokussierung auf Rinderhaltung in der Klimadebatte falsch ist: „Wir lassen uns den Schwarzen Peter im Klimaschutz nicht zuschieben. Wer die Rinderhaltung als Klimakiller kritisiert, lenkt von den eigentlichen Ursachen ab. Was wir brauchen, ist ein Turbo beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger, um die Treibhausgasemissionen aus der Ölverbrennung zu stoppen!“
Angesichts der schlechten Treibhausgasbilanz von südamerikanischem Rindfleisch fordert der LK-Präsident einmal mehr ein klares „Nein“ Europas zum Mercosur-Freihandelsabkommen, das die EU mit Südamerika abschließen will. „Es ist ein Hohn, von den heimischen Bauern immer mehr Auflagen zu verlangen und gleichzeitig die Zölle für klimaschädliche Rindfleischimporte einzustampfen. Dieses Abkommen ist ein Schlag ins Gesicht der Kärntner Rinderhalter und würde das Aus für viele Betriebe bedeuten“, hält Huber fest. Zwar stemme sich Österreich vehement gegen das Abkommen, die Verbündeten innerhalb der EU würden aber immer weniger und die Stimmen, das Abkommen abzuschließen, immer lauter. Vom Freihandelspakt besonders betroffen wäre die Kärntner Rinderwirtschaft, die mit 70 % Anteil an der Wertschöpfung das Rückgrat der heimischen Landwirtschaft darstellt. „Auf den Agrarmärkten reichen bereits geringe zusätzliche Mengen aus, um die Preise in den Keller zu schicken. Kommt das Abkommen, wird auch auf österreichischen Tellern vermehrt Regenwald-Rindfleisch landen – und das zu einem Preis, bei dem die heimischen Bauern nicht mitkommen!“, warnt Huber.
Abschließend appelliert der Präsident der Kärntner Landwirtschaftskammer an die Konsumenten, beim Einkauf auf heimische Produkte zu setzen: „Wer beim Grillen ein gutes Gewissen haben will, greift zu heimischem Rindfleisch. Das ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz und hilft den Bauern und der Wirtschaft vor Ort.“ Denn im Gegensatz zu heimischem Rindfleisch sei jedes aus Südamerika importierte Steak ein wahrer „Klimakiller am Griller“.
Methan aus der Tierhaltung: Neue Berechnung zeigt geringere Klimawirkungen
Besonders durch den Ausstoß des Treibhausgases Methan gilt die Tierhaltung im Allgemeinen und im Besonderen die Rinderhaltung als Mitverursacher des Klimawandels. Eine aktuelle Studie der BOKU zeigt, dass die Klimawirkung des kurzlebigen Treibhausgases Methan in Österreich geringer ist, als dies mit üblichen Berechnungen ermittelt wird. Je kg Milch liegt damit die Klimawirkung um zirka 50 % und je kg Rindfleisch um etwa 40 % niedriger.
Die kurzfristigere Treibhausgaswirkung von Methan ist deutlich stärker als jene von Kohlendioxid und trägt damit wesentlich zur Klimaerwärmung bei. Allerdings ist die Lebensdauer von Methan mit ca. zwölf Jahren vergleichsweise kurz. Rückläufige Methanemissionen, z. B. im Zeitraum von 20 Jahren, ergeben daher einen geringeren Anstieg oder sogar einen Rückgang der Temperaturen gegenüber einer Bewertung mit dem üblichen Maßstab. Dieses Ergebnis resultiert bei der Anwendung der Umrechnungs-Metrik „GWP*“ (GWP-Stern), die auch im neuen Bericht des Weltklimarates (IPCC Assessment Report) von 2021 genannt wird. Erstmals wurde dieser Effekt nun für die österreichische Tierhaltung in einer Studie der BOKU (Hörtenhuber u. a. 2022) berechnet.
„Der übliche Bewertungsmaßstab für Treibhausgasemissionen ist das sogenannte „GWP100“, das die Absorption von Strahlungsenergie unterschiedlicher Treibhausgase über einen Zeitraum von 100 Jahren bewertet. Weil ein Teil des Kohlendioxids allerdings tausende Jahre in der Atmosphäre bleibt, ist der Vergleich mit dem kurzlebigen Methan, dessen Klimawirkung im 100-Jahr-Zeitraum voll berücksichtigt ist, nicht ganz korrekt“, erläutert Dr. Stefan Hörtenhuber, Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien.
Bei der Metrik GWP* ist die Kurzlebigkeit von Methan berücksichtigt, weil sie einen dynamischen Zugang darstellt, der zugleich Emissionen und Abbau bewertet. Damit wird jener (österreichische) Klimaeffekt eingerechnet, wenn Methanemissionen bei effizienterer Produktion kontinuierlich zurückgehen. Die Klimawirkung sinkender Methanemissionen wird mit dem GWP100 im Vergleich zu GWP* deutlich überschätzt, und bei ansteigenden Emissionen wird der Erwärmungseffekt unterschätzt.
Zahl der Milchkühe sinkt, somit sinken auch Emissionen
Die Zahl österreichischer Milchkühe ist trotz höherer Produktion in den letzten Jahren gegenüber 1990 um über 40 % gesunken. Der Erhaltungsbedarf und die resultierenden Emissionen der Kühe liegen je l Milch damit deutlich geringer als im Jahr 1990. Die hinsichtlich Tierzahlen und Emissionen seit 2005 relativ stabile österreichische Tierhaltung schneidet bei einer Anwendung der GWP*-Metrik deutlich besser ab als mit den herkömmlichen GWP100-Werten. Bei der Milchproduktion sinkt die Klimawirkung je kg Produkt um fast 50 %, bei Rindfleisch um 40 % und bei Schweinefleisch um 5 %.
Der gesamte Sektor Tierhaltung hat mit rückläufigen (Methan-)Emissionen die Erwärmung in Österreich deutlich gebremst. Mit ziemlich konstanten Emissionen seit etwa 2005 resultiert zwar seit 2017 netto wieder eine Erwärmung durch die österreichische Landwirtschaft. Deren Beitrag bleibt jedoch bei einer Bewertung mit GWP* deutlich hinter der Klimawirkung der üblichen Bewertung mit dem GWP100.
Die geringere Klimawirkung bei Anwendung der GWP*-Metrik stellt kein Argument dafür dar, die Tierhaltung zu intensivieren und Tierbestände aufzustocken. Eher im Gegenteil: Wenn mit einem Mix unterschiedlicher Maßnahmen die österreichische Tierhaltung auch in Zukunft Methanemissionen weiter senken oder zumindest konstant halten kann, leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Diese müssen weltweit dringend umgesetzt werden, um Kipppunkte der Erderwärmung nicht zu überschreiten.
Periodisch werden Bewertungen der Treibhausgasemissionen und deren Wirkungen medial diskutiert und auch in Frage gestellt. Dieses Hinterfragen geschieht auch in der Wissenschaft. Dadurch kommt es immer wieder zu Weiterentwicklungen der Analysemethoden und zu neuen Erkenntnissen. Bei der Darstellung der Klimawirkungen können unterschiedliche Perspektiven (mit den Metriken) eingenommen werden. Die Ergebnisse widersprechen sich auf den ersten Blick teilweise, geben aber meist nur andere Blickwinkel in Form unterschiedlicher Einheiten wieder und sind deswegen nicht falsch. So hat auch der etablierte Maßstab GWP100 Vorzüge gegenüber anderen Metriken und wird für viele Bewertungen der Klimawirkung der Standard bleiben. Zusätzlich soll überall dort, wo Methan eine Rolle spielt, das GWP* angewendet werden.
Die Analyse der Treibhausgasemissionen pro Kopf zeigt zudem, dass die Ernährung nur einen kleineren Teil unserer gesamten Treibhausgasemissionen bewirkt und eine Umstellung der Ernährung (d. h. mit wenigen oder ohne tierische Produkte) keine große Reduktion der gesamten Klimawirkungen ermöglicht. Eine Tierhaltung, die auf geringe Klima- und Umweltwirkungen sowie hohe Ökosystemleistungen (z. B. Biodiversitätserhaltung) achtet, spielt auch zukünftig eine wichtige Rolle. Die Klimawirkung tierischer Lebensmittel liegt trotz allem höher als jene pflanzlicher Lebensmittel, wobei auch die Wertigkeit tierischer Lebensmittel – zum Beispiel hinsichtlich des Gehalts an Proteinen, Eisen, Zink, Folsäure oder Vitamin A oder B12 – deutlich höher ist. Weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie Biodiversität und Tierwohl sollten aufgrund des medialen Fokus auf Treibhausgasemissionen nicht vernachlässigt werden und müssen zusätzlich zur Klimawirkung berücksichtigt werden.
Foto: LK Kärnten/Vorwalder